Klimalehrpfad – oder warum Klimaschutz so dringend ist
Beitrag für die P.S.-Zeitung, 29. Oktober 2021
Der Zürcher Käferberg ist seit jeher einen Spaziergang wert, nach dem Sturm vom Juli noch mehr. Wer im Wald vor den Schneisen der Zerstörung steht, kann sich die Wucht der Böen in der Nacht auf den 13. Juli vor Augen führen. Bäume, Büsche, alles liegt vielerorts noch wild übereinander. Dazwischen ragen meterdicke Buchenstämme heraus, die einfach abgeknickt, gebrochen sind. Am Boden liegen grosse Eichen, manche bestimmt 200jährig: stumme Zeugen des CO2-Anstiegs, den die Menschen seit der industriellen Revolution verursacht haben – und dem die Bäume jetzt zum Opfer gefallen sind.
Eine einzige Sturmnacht ist kein Indikator für den Klimawandel, doch der Wald wurde in den Jahren davor durch mehrere Extremwetterereignisse geschwächt. Der Hitzesommer 2018 und danach immer wieder harte Trockenperioden hatten vielen Bäumen zugesetzt und ihre Wurzeln derart beeinträchtigt, dass die Sturmböen ein leichteres Spiel hatten, so wie übrigens die grossen Schneemassen im vergangenen Winter auch, deren Gewicht viele Baumkronen einfach auseinandergerissen hatte.
Steile Zunahme, erschreckend flache Abnahme der CO2-Konzentration
Als die umgestürzten Eichen einst am Boden keimten und ihre ersten Blätter trieben, lag die CO2-Konzentration in der Atmosphäre bei ungefähr 280 Teilchen pro Million (ppm). 200 Jahre später, im Jahr 2000 waren es im globalen Durchschnitt 370 ppm, und heute, nach wiederum 20 Jahren, sind es bereits 420 ppm.
Dieser gegenwärtig äusserst steilen Zunahme des CO2-Gehalts steht eine andere, sehr flache Kurve gegenüber, nämlich diejenige des Rückgangs des CO2 in der Atmosphäre, wenn wir unseren Ausstoss dann gestoppt haben. Vom IPCC schreibt man zu diesem Thema vage, dass eine Rückkehr zum vorindustriellen CO2-Gehalt nicht mehr „in für unsere Gesellschaft relevanten Zeitskalen“ erfolgen werde und eine Senkung der Durchschnittstemperaturen sich noch vieler länger dahinziehe. In anderen Worten, die Rückkehr zum einem vorindustriellen Klima dauert, wenn überhaupt, Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende. Solche Zeitdimensionen werden verständlich, wenn man bedenkt, welche Mengen an Erdöl, Erdgas und Kohle global heute verbrannt werden: in einem Jahr sind es mehr als wie in einer Million Jahren geologisch gespeichert wurde.
Folgen für die nächsten 2000 Jahre
Der heutige Verbrauch fossiler Brennstoffe wird daher Auswirkungen auf Gesellschaften haben, die so weit von uns wegliegen, wie unsere Gesellschaft für die Römer oder die alten Griechen. Deshalb wird jedes Jahr, in dem der Umstieg auf erneuerbare Energien früher erfolgt, unsere Wirkung in die ferne Zukunft verkürzen. Wir machen Klimaschutz nicht in erster Linie für uns, sondern für die vielen Generationen nach uns. Wer von Sozialverträglichkeit des Klimaschutzes spricht, muss diesen Umstand in Betracht ziehen. Diese Verantwortung betrifft uns alle. Auch in der Schweiz, auch im Kanton Zürich.
Wir müssen wir jetzt, in unserer Zeit, rasch aus den fossilen Energien aussteigen.