Für P.S.-Zeitung, 14. Juli 2023

Die aktuelle Debatte um die Windenergie zeigt, wie die politische Rechte gerade dabei ist, sich zu radikalisieren. Und dass sich der Rechtspopulismus nicht zu schade ist, linke und ökologische Argumente zu instrumentalisieren.

Das Muster ist bekannt: Wenn Hausbesitzer:innen die Mieter:innen wegen einer Totalsanierung rauswerfen und die Wohnungen bis Baubeginn an Asylsuchende vergeben, poltert die SVP, obwohl sie in Bern jeden Vorstoss für Mieter:innenschutz ablehnt. Im Zürcher Kantonsrat boykottiert sie Massnahmen gegen Strassenlärm, doch bei den Windturbinen will sie die Bevölkerung vor Infraschall schützen.

Scheinargument „Infraschall“

Die sehr tiefen Frequenzen des Infraschalls sind nicht hörbar, allenfalls ist der Schalldruck spüren. Auch Windräder produzieren Infraschall, nur ist der Schalldruck in 200 Meter Abstand 100’000 Mal geringer als bei einem Flugzeugstart und daher kaum wahrnehmbar. Es ist eine kleine Gruppe von fundamentalen Windkraftgegner:innen, die die Idee des „Infraschalls“ hartnäckig verbreitet. Viele sympathisieren mit Klimaleugner:innen oder mit Gegner:innen der Corona-Massnahmen, wie sich in den Sozialen Medien recherchieren lässt.

Offenbar buhlt die SVP um diese Gruppen. Zum einen damit, dass sie wissenschaftlichen Studien zum Infraschall der Windräder schlichtweg ignoriert, zum andern, dass sie sich keinen Deut um das kantonale Windplanverfahren schert.

„Totalitäres“ Dialogverfahren – – ?

Auf einem Podium in Männedorf sagte ein SVP-Kantonsrat, dass der Baudirektor bei der Windenergie „monarchistisch“ vorgehe, im Kantonsrat hiess es später „totalitär“. Hintergrund dieser Beschimpfung ist ein Dialogverfahren zur Windplanung, zu dem die Baudirektion sämtliche Gemeinden, aber auch Naturverbände und Energieversorger freiwillig eingeladen hat, und dies noch vor dem Richtplanprozess, der seinerseits mehrere demokratische Stufen durchläuft.

Ohne das Dialogverfahren wäre die SVP nicht gar an Infos zur Windplanung gekommen. Offenbar ist heute der Preis für Mitwirkung und Transparenz, dass man den Rechtspopulisten Material liefert, um fundamentales Misstrauen anzuheizen.

Demokratie: Respekt und gemeinsame Grundannahmen

Es ist daher ernsthaft zu fragen, ob sich die SVP noch im selben politischen Feld bewegt wie die anderen, demokratischen Parteien (eine Frage, die die FDP gegenwärtig fast zerreisst). Dazu gehört erstens der Respekt vor den Gegner:innen – und nicht vor „dem Feind“, wie der kantonale SVP-Präsident die Linksgrünen im Parteiblatt neulich genannt hat. Zweitens braucht es gewisse gemeinsame Grundannahmen: Wenn jemand völlig ausblendet, dass es ein Richtplanverfahren gibt oder bei Windrädern von „krankmachendem Infraschall“ spricht, fehlt nur wenig zur Leugnung von Corona, der Klimakrise oder Putins Angriff gegen die Ukraine.

Aufklärung! – statt Empörung

Empörung ist ein schwaches Mittel gegen rechte Desinformation. Wirksamer sind konstante Aufklärung und Richtigstellung. Die linken Reaktionen auf die üble Hetze gegen den Gender-Tag in Stäfa sind ein positives Beispiel dafür. Das verlangt Arbeit und kein Scheu auch mal das Feld des rechten Gegners zu beackern. – Seien wir uns dafür nicht zu schade.

▶️ Aufklärung zu den Mythen der Windenergie-Gegner unter diesem Link