„Wir gehen anders vor, wir kleben uns nicht an den Boden“
Interview über Grüne Politik im Kanton Zürich mit der Limmattaler Zeitung
(12. Dezember 2022)
Die Grünen gewannen bei den letzten Kantonsratswahlen neun Sitze. Wie viele Sitzgewinne peilt Ihre Partei dieses Mal an?
Thomas Forrer: Damit die Klima- und Umweltpolitik noch mehr Gewicht im Kanton Zürich bekommt, wollen wir einen Zuwachs von mindestens drei Sitzen erreichen und eine gute Wiederwahl des Grünen Regierungsrats Martin Neukom.
Mit welchen Themen möchte Ihre Partei Wählerinnen und Wähler von sich überzeugen – abgesehen vom Klima?
Vom Klimaschutz können wir als Grüne nicht absehen – Klimaschutz ist dringend, zusammen mit dem Erhalt der Biodiversität und der erneuerbaren Energieversorgung. Das Artensterben ist gleich bedrohlich wie die Klimakrise: Unser Insektenbestand ist seit 1990 um rund 80 Prozent zurückgegangen, das ist alarmierend. Als weiteres wichtiges Thema liegt uns eine offene Gesellschaft am Herzen. In dieser sollen sich unabhängig von den individuellen Unterschieden alle auf Augenhöhe begegnen und sich verwirklichen können.
Auf welche Erfolge aus der letzten Legislatur sind Sie stolz?
Grosse Erfolge waren die Abstimmungen zum Klimaschutzartikel, der Gegenvorschlag zur Kreislaufinitiative und natürlich das Energiegesetz. Sie haben gezeigt, welchen Rückhalt unsere Klima- und Umweltpolitik in der Bevölkerung geniesst. Dank grüner Politik geht es vorwärts beim Gewässerschutz im Zusammenhang mit dem Wassergesetz, und beim Naturschutz aufgrund des Gegenvorschlags zur Naturinitiative, mit dem neu 50 statt 26 Millionen Franken für den Erhalt und Ausbau der Naturschutzgebiete zur Verfügung stehen.
Welche Misserfolge hallen bis heute nach?
Ein Misserfolg, wenn auch national, ist zweifellos die Ablehnung des CO2-Gesetzes. Das war ein herber Schlag für die Klimapolitik. Glücklicherweise konnten wir das mit der sehr deutlichen Annahme des Energiegesetzes im Kanton Zürich korrigieren und starkes Zeichen nach Bern senden. Misserfolge hatten wir auch in der Finanzpolitik. Die bürgerlichen Parteien inklusive der GLP kürzten den Staatshaushalt mit Sparanträgen und einer Senkung des Steuerfusses. Doch die Klimakrise kostet! Für CO2-Reduktionsmassnahmen und die Anpassung an den Klimawandel brauchen wir eine solid aufgestellten Kanton.
Wie beurteilen Sie die vergangenen vier Ratsjahre?
2019-23 war die erste grüne Legislatur in der Geschichte des Kantons Zürich. Wir haben zusammen mit unseren Partnern aus der Klimaallianz – SP, GLP, EVP und AL – wichtige gesetzliche Grundlagenlegen im Bereich Umwelt und Klima geschaffen. Jetzt geht es ans Umsetzen. Der Grüne Baudirektor Martin Neukom hat viel zu diesem Erfolg beigetragen.
Wie hat er das Politisieren im Kantonsrat beeinflusst?
Mit Martin Neukom ist das Tempo, mit dem die Geschäfte in der Baudirektion und in der Regierung behandelt werden, deutlich gestiegen. Und er hat selber viele wichtige Vorlagen in den Kantonsrat gebracht, wie die kantonale Klimastrategie oder die zweite Auflage des 2019 an der Urne gescheiterten Wassergesetzes. Die Politik im Kantonsrat ist dadurch effizienter und effektiver geworden.
Mit Klimathemen beschäftigen sich längst nicht mehr nur die Grünen. Wie will die Klima-Allianz künftig im Gespräch bleiben?
Es ist erfreulich, dass für Teile der Bürgerlichen das Klimathema gewisse Relevanz erhalten hat – ob freiwillig oder unfreiwillig. Dennoch braucht die Klima-Allianz weiterhin eine Mehrheit im Kantonsrat, sonst laufen wir Gefahr, dass es zu einem zu einem Stillstand kommt. Wir stehen immer noch am Anfang der Dekarbonisierung und es ist ein grosser Weg hin zu Netto-Null. Aber die Klima-Allianz setzt sich auch für andere Themen ein wie eine teilweise Finanzierung der Krippen durch den Kanton und eine gerechtere Verteilung der Sozialhilfekosten zwischen den Gemeinden.
Die EVP fordert in einer Motion Solaranlagen auf dem Zürichsee. Was halten Sie davon?
Solche Ideen sind grundsätzlich interessant, da sie Denkanstösse geben. Ich finde es aber nicht realistisch, dieses Projekt auf dem Zürichsee umzusetzen. Wir haben genug Dächer, um Solaranlagen zu installieren.
Für Schlagzeilen sorgten in den vergangenen Wochen Klimaaktivistinnen und -aktivisten, die sich an Strassen klebten. Sind diese Aktionen im Sinne der Grünen?
Ich verstehe die Menschen gut, denen es beim Klimaschutz unter den Nägeln brennt. Es geht alles immer noch viel zu langsam. Aber wir Grünen gehen anders vor, wir kleben uns nicht an den Boden.
Würden Sie diesen Gruppierungen von solchen Aktionen abraten?
Ich teile die Anliegen der Aktivistinnen und es braucht den Druck von der Strasse. Als parlamentarische Partei haben wir jedoch andere politische Mittel zur Hand.
Nicht nur das Klima, auch der Wohnungsmarkt ist überstrapaziert. Welche Lösungen halten die Grünen dagegen bereit?
Die hohen Wohnungs- und Grundstückpreise sind ein Problem für Mittel- und Wenigverdiende. Daher kommt dem gemeinnützigen Wohnungsbau immer grössere Bedeutung zu: es braucht mehr bezahlbaren Wohnraum im Kanton Zürich. Wir Grüne sind der Ansicht, dass auch der Kanton als Wohnbauträger für den gemeinnützigen Wohnungsbau aktiv werden sollte.
Wieso sollen die Wählerinnen und Wähler am 12. Februar die Grünen wählen?
Weil wir im Kanton Zürich beim Klimaschutz erst am Anfang stehen und weil in nächster Zeit ein massiver Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion in unserem Kanton nötig ist. Dafür braucht es die Grünen, und wir kämpfen wir für eine offene und solidarische Gesellschaft. Wer möchte, dass es vorwärts geht, wählt die Grünen.